30. Mai 2010

Gestern war eigentlich ein ganz normaler Tag. Als ich auf einen Freund im Auto wartete - ich hatte die Beifahrertür für ihn schon aufgemacht und schrieb gerade eine SMS - kam eine Frau zu mir ans Auto. Sie fragte, ob sie die Tür zumachen dürfte. "Klar", sagte ich, aber sie machte das nicht, hatte anscheinend eine andere Reaktion von mir erwartet.

"Ist ihnen das nicht zu laut?", ach sie meinte meine Musik, die eigentlich nur auf Zimmerlautstärke lief. Also verneinte ich brav mit einem "Nein". Ich wartete eigentlich nur darauf, dass sie meine Tür endlich zumacht, aber sie war wohl aus Diskussion aus, schaute mich an und meinte, dass es ja jetzt an jeder Ecke Läden für Hörgeräte gibt.

...

"Ja" sagte ich. War ihr wohl wieder nicht genug und sie starrte mich weiter an. Als ich mich dann wieder meiner SMS widmete, schloss sich endlich die Tür. Anscheinend ist manchmal das beste Contra, wenn man den Leuten kein Contra gibt. Ich hoffe jedenfalls sie wird reich mit ihrem Hörgerätladen.

Maler Kotz hab ich dann auch noch getroffen, aber der war ganz friedlich. Man kann nur hoffen, dass er nicht so malt wie er heißt.

Nun, für den Abend war meine Couch für Lena reserviert, aber sie musste ja lieber den Eurovision Songcontest gewinnen. Das war eher kontraproduktiv, denn ich hatte mich schon auf die Sarkasmus-Maschine Peter Urban gefreut. Der Kommentator von der ARD ist ist beim Grand Prix normalerweise so staubtrocken, dass man mit ihm Waldbrände löschen könnte, durch Sauerstoffentzug. Aber je besser der Abend wurde und um so mehr Punkte Lena bekam, um so fröhlicher wurde er und am Ende konnte er sogar ein Interview mit ihr führen und er lächelte!!! Ich hab Peter Urban noch nie lächeln sehen!!

Grand Prix schauen gehört bei mir zum Pflichtprogramm, schon seit Jahren (obwohl ich ihn das letzte Mal verpasst hab). Das schöne am Songcontest ist immer, dass die keine Zeit verlieren, schnell zu Potte kommen und nicht durch sinnlose Moderatoren und Werbung unterbrochen werden. Der Nachteil: Man muss auf Bierhol-Lieder warten, wenn man mal weg muss. Oft kann man schon nach wenigen Sekunden sagen, ob das Lied ein "Grand-Prix-Song" ist und ob er Chancen hat. Während meine Favoriten immer schöne Eurodance-Nummern sind (davon gab's 2) rechnete ich auch dem türkischen Manga große Chancen ein (vor allem, weils einen Power Ranger im Hintergrund gab). Sehr schön war auch die Saxophonverwurschtelung von Moldavien (mit großartigen Unterleibsbewegungen) oder Dr. Alban aus Frankreich.

Am liebsten genieße ich die Sendung mit Freunden, aber das klappte gestern nicht, also blieb die Couch und die Freunde gab es online. Es war schon ein schöner Abend und ich bin der vollen Überzeugung, dass Fernsehen mit dem Laptop auf dem Schoß mit Twitter und Messenger laufend das neue Fernsehen ist. Enhanced quasi. So wie es da abging, da braucht man keine DVD-Audiokommentare mehr oder Onscreen-Fakten, sondern man generiert seine Diskussion selber. Dass da seit Giga keiner mehr drauf gekommen ist. Das Konzept hat so viel Potential. Zwar müssen die Kommentare gefiltert und von Hand gesichtet werden, aber für die Sender ergebe sich so viel Mehrwert, alles vom Zuschauer selbst generiert.

Prominentester Twitterer war bei mir wohl Michael Kessler, der ging wie so viele Leute auf Geigen ab (was ich nicht mal richtig gecheckt hab), hatte aber auch ein paar richtig gute Kommentare. Die isländische Sängerin wurde zur "Tine Wittler aus Reijkjavik" degradiert.

Ich beschränkte mich an dem Abend auf Kommentare von Peter Urban sammeln. Granaten wie "Kitsch as Kitsch can. Ist denn schon Dezember? Eine menge Weihnachtsschmuck." beim Beitrag von Weißrussland (ein typischer Urban), "Aufwendiger Auftritt für ein sparsames Lied" bei Großbritannien oder Beschwerden über "die gnadenlose Windmaschine" nach dem Contest (und recht hatte er). Die Songs hatten diesmal wirklich Qualität, vorallem zwischen den Startnummern 10 und 20 steigerte sich Urbans Laune doch erheblich. Sichtlich angetan war er dann noch von Lenas Auftritt, so einen Grand Prix mit so einem Peter Urban habe ich noch nie erlebt. Selbst für den sinnlosen Flashmob-Dance hatte er positive Worte (der sah verdächtig nach Black Eyed Peas aus und klang auch so, meine Mitstreiter meinten sogar D! dort erkannt zu haben, ich hab ihn verpasst). Vielleicht hat da auch ein Intendant ihm mal ins Gewissen geredet, dass ja alles so cool ist, was die sich ausdenken.

Die Punktevergabe machte ihm dann sogar richtig Spaß und er ließ den ein oder anderen Lacher raus. Und wenn Peter Urban Spaß hat, dann muss es schon ein ganz besonderer Grand Prix sein ("Mich tritt ein Pferd"). Als es dann immer mehr Punkte für Deutschland gab, begann auch mein Herz zu klopfen. Sollte es Lena schaffen? Oh ja. Wir rochen schon Verschwörung, wenn Deutschland unter 8 Punkte bekam. Krass. Stefan Raab soll König von Deutschland werden... und die Nationalmannschaft trainieren, dann klappts auch mit dem Titel. Unglaublich. Ralf Siegel verdrückt bestimmt gerade ein paar Tränen. Egal wo das Teil nächstes Jahr stattfindet, ich hol mir Karten (hoffentlich Berlin). Schon allein, um Lena nochmal zu sehen. Allein wegen ihrer krassen Dancemoves.

Ich bin ja nicht so der Facebook-Typ, aber da hab ich mich derwegen mal zu einem Kommentar hinreißen lassen. Ich find's saucool und freu mich vor allem für sie. Sie blieb sich selbst treu und am Ende ist das belohnt wurden. Man kann nur hoffen, dass sie sich darauf jetzt nicht ausruht und auch eine Veränderung durchmacht, denn das "Ich weiß nicht, wo ich jetzt hinsoll", nimmt man ihr auch nur ein paar Mal ab, bevor es zur Masche wird. Ich freu mich auf den Grand Prix nächstes Jahr in Deutschland. Und Peter Urban, "voll gefletscht" (sollte wohl geflashed werden) :D

Wer den Abend nochmal voll und ganz Revue passieren lassen will, dem empfehle ich den Live-Ticker von RP-Online. Der Kommentator hatte mindestens genausoviel Herzklopfen wie ich und brachte die Sache auf den Punkt mit solchen Kommentaren:

"Auch die georgische Punktefrau ist warmherzig wie eine Scheibe Hackbraten im Gefrierfach. Ihre lächerlichen null Punkte für Deutschland macht das Land zu einem Kandidaten für unseren Atommüll. Zwölf Punkte aus Schweden, das Land, das wir durch unsere Einkäufe bei Ikea ja seit Jahrzehnten am Leben erhalten." - Grandios.

Verpasst hab ich auch den spanischen Fan...



In diesem Sinne: Lena, 12 Points... Nein, 246 Points.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen