4. März 2010

"Ey hast du 'n S-Bahn-Ticket, dass de nimmer brochst" wurde ich am Samstag in Berlin am Hauptbahnhof gefragt, als ich auf dem Weg nach Stuttgart war. Die Frau, die mir ihre Hand entgegenstreckte, machte nicht den Eindruck, als hätte sie mein Ticket nötig. Aber Erscheinungen täuschen.

Ich dachte kurz daran, ihr die Geschichte hinter diesem Einzelfahrausweis Regeltarif Berlin AB B1 zu erzählen, aber spielte die überhaupt eine Rolle?


Mein Steinbeis-Seminar war unglaublich früh zu Ende und so konnte ich mich schon fünf Stunden vor meiner eigentlichen Abfahrt zum Hauptbahnhof aufmachen. Schon jetzt legte ich damit den Grundstein, dass wir uns überhaupt begegnen konnten. Ich überlegte kurz und entschied mich zum Ostkreuz zu laufen. Obwohl der Bahnhof weiter weg war und ich meine schwere Reisetasche auf der Schulter hatte, wollte ich lieber direkt ohne Umstieg zum Hauptbahnhof kommen.

Was ich nicht wusste: Am Ostkreuz hatte ich keine Möglichkeit ein Ticket zu kaufen. Ich lief den Bahnsteig auf und ab und folgte den "Tickets"-Pfeilen. Ich fand jedoch nur einen einsamen, heruntergekommenden S-Bahn-Servicepoint - samstags geschlossen. Großartig. Keine Chance. Also - Hop - in die nächste Bahn gehüpft. Rappelvoll! Uff!

Der Klassiker: Große Stadt. Samstags. Kurz nach dem Mittagessen. Bundesliga-Heimspiel. Hertha Olé! Eingequetscht zwischen Hardcorefans schwarzfahren. Und wie es sich gehört: Fahrscheinkontrolle. Die beiden Kontrolleure waren noch weit genug weg, so dass ich mir überlegen konnte, was ich erzähle und wie ich auftrete. Dummer Tourist? Sich beschweren, dass kein Automat da war? Einfach mal das ICE-Ticket vorzeugen?

Sie rückten näher und mein Herz begann lauter zu klopfen. Warum eigentlich? Nur die Ansage "Jannowitzbrücke" rettete mich. Mit klopfendem Herz und weichen Knien sprang ich raus; Adrenalinschub. Poch-Poch. Drei oder vier Stationen vom Hauptbahnhof entfernt zog ich mir dann also doch noch dieses Ticket und stieg in die folgende Bahn. Ich hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl, so als hätte ich etwas Unrechtes getan. Wieso denn nur?

Und so kam es, dass ich am Hauptbahnhof ausstieg und sich mir eine Hand entgegenstreckte.

"Klar", sagte ich ohne zu zögern und drückte ihr das Ticket in der Hand. Das schlechte Gefühl war weg und wurde ersetzt durch Gedanken an all diese Umstände und Zufälle, die dazu geführt hatten, dass diese Frau jetzt dieses Ticket in der Hand hielt. Irre.

Wäre das Seminar nicht so früh zu Ende gegangen, wäre ich nicht zum Ostkreuz gegangen, wären die Kontrolleure nicht so weit weg gewesen.

Jeden Tag trifft man Entscheidungen, die solche Konjunktive beeinflussen und manchmal führt das Eine zum Anderen und dazu, dass jemand noch länger S-Bahn fahren konnte. Ich brauchte das Ticket sowieso nicht. Ich weiß nicht mal, ob sie Danke gesagt hatte, aber das war mir egal.

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