11. März 2009

Eine Enttäuschung vorneweg: In den USA hing an Watchmen der neue Trailer zu Star Trek, in Deutschland bzw. dem Innenstadt Kinos Stuttgart wurde ich mit dem Teaser abgespeist. Gemeinheit. Viel mehr Zeit blieb auch nicht, bei 3 Stunden Laufzeit muss man schneller zu Potte kommen. Absolut überraschend: Auch bei Über-Überlänge zahlt man am Kino-Dienstag in den Innenstadt-Kinos nur 4,50 €.

Aber nun zum Film.

Alan Moore hat mal gesagt, Comics seien unverfilmbar. Bei V wie Vendetta wollte ich es nicht wahrhaben, seit Watchmen kann ich ihn verstehen. Im Film kann man sich berieseln lassen, da muss man sich nicht anstrengen, deswegen wird der Film eine breitere Masse erreichen. Ein Comic kann man auf sich wirken lassen. Man kann sich Zeit nehmen, zurückblättern, eine Pause machen. Da prasseln keine 25 Bilder pro Sekunde auf einen ein. Comics bieten mehr Details, mehr Tiefe und hinterlassen einen bleibenderen Eindruck. Während der Übertragung von einem Medium auf das andere geht viel verloren. So auch bei Watchmen.

Da ich den Comic kannte, konnte ich mich einigermaßen auf den Film einstellen. Ich hatte auch einen deutlichen Vorteil gegenüber meinen Mitstreitern, die in den ersten 15 Minuten sich erstmal auf den Stoff einstellen mussten. Keine leichte Kost wie Spider-Man, keine Action wie Batman, sondern Politik, Charaktermomente und die ständige Angst vor dem Atomkrieg bestimmt Watchmen. Leider kam dieses Angstgefühl meines Erachtens nach viel zu kurz. Im Comic lauert immer der Schleier der Gefahr des nuklearen Holocaust über der Handlung. Im Film wird es zum Teil der Handlung.

Mit 3 Stunden ist der Film schon lang bemessen, trotzdem fehlen noch einige Handlungsdetails (Die Hintergrundgeschichte von Silk Spectre, die Nebencharaktere wie Hooded Justice, die Ermordung von Nite Owl I oder der ganze Black Freighter Subplot). Ein 12 Ausgaben starker Comic ist zu viel für einen Film, aber auf der anderen Seite hätte er keine Aufteilung in 2 oder mehr Filme verdient. Alles wichtige wird gezeigt und zum dramatischen Effekt werden einige Szenen geändert (Alan Moore würde mir widersprechen, denn alles in einem Comic ist wichtig).

Ein Aspekt, der mir nicht gefallen hat, war die lange Sexszene. Versteht mich nicht falsch, Malin Ackerman ist eine richtig hübsche Schauspielerin - ach was soll's: sie ist verdammt heiß - aber die Szene lenkt von der Gesamthandlung ab. Dafür litten andere Szenen darunter. Das Ende war anders als im Comic. Der Film endet für die Menschheit im Glauben, Dr. Manhattan könnte sie jederzeit wieder angreifen, was mir zu stark vom Comic abweicht. Dr. Manhattan ist nicht der Feind, sondern sollte nur in Vergessenheit geraten. Es fehlte auch das letzte Gespräch zwischen Dr. Manhattan und Adrian Veidt, in dem gezeigt wird, dass auch Veidt kein perfekter Mensch ist, sondern von Selbstzweifel und Angst zerfressen. In diesem Gespräch spricht auch Dr. Manhattan den Satz "Nothing ever ends" (Nichts ist je zu Ende), und nicht Laurie.

Aber genug mit dem Vergleich zum Comic. Wie steht der Film als Film da? Absolut fantastisch. Es ist ein großartiger Film, den es sich auf jeden Fall lohnt anzuschauen. Die Handlung kann man am besten über ein paar Fragen beschreiben: Was wäre, wenn Menschen wie du und ich entscheiden, dass sie Superhelden spielen wollen? Was wäre passiert, wenn Amerika den Vietnamkrieg gewonnen hätte? Wieviel wären wir bereit für den Frieden zu opfern? Wie sähe die Welt aus, wenn es eine Minute vor Mitternacht (dem Atomkrieg) wäre?

Jackie Earle Haley als Rorschach kommt absolut lebendig und fantastisch rüber. Durch und durch eine großartige Leistung, auch ohne Maske. Dr. Manhattan's Abkehr von der Menschheit kommt gut rüber, ist aber ein wenig holprig, weil dem Zuschauer keine Zeit bleibt Luft zu holen. Trotzdem wird er immer mehr zum Enigma. Über Malin Ackerman habe ich meine professionelle Meinung (*ähem*) schon oben kundgetan. Adrian Veidt war überzeugend gespielt in seiner Überlegenheit, aber es fehlte dann doch noch der Tick Unsicherheit. Patrick Wilson als Daniel Dreiberg macht auch einen soliden Job.

Der Film arbeitet sich wieder Comic über Rückblenden und mit Rorschach als Erzähler durch die vielschichtige Handlung und kommt dann zum Höhepunkt. Der Höhepunkt enttäuscht etwas, da keine wirkliche Spannung aufkommt und ich mich als Zuschauer etwas betrogen gefühlt habe. Man darf mich nicht falsch verstehen, ich finde das Ende großartig, aber im Film kommt es nicht so gut rüber. Der Soundtrack wurde mit Liedern der aktuell gezeigten Zeitperiode bereichert. Diese Lieder passten absolut zum Kontext, auch mit versteckten Bedeutungen, allerdings fand ich die Einspieler an manchen Stellen ziemlich gekünstelt und forciert.

Mit Watchmen ist Zack Snyder ein großartiger Film verloren, der aber seine ganze Spannung und Atmosphäre nicht selbst aufbaut, sondern aus dem Comic bezieht. An manchen Stellen wirkt der Film deshalb schwerfällig, holprig oder einfach nur kontextlos, weil man eine dichte Comic-Atmosphäre aus einem Medium in dem man selbst handelt und nachdenkt in ein Medium mit flashigen Bildern und wenig Eigeninitiative nicht 1:1 übertragen kann. Alles in allem ist es ein schönes Kinoerlebnis und auf jeden Fall einen Besuch wert.

Ich habe den Comic gerade neben mir liegen und freue mich, dass einer meiner Mitstreiter aus dem Kino ihn lesen will. Wenn der Film hilft, den Comic weiter zu verbreiten, dann ist das auch keine schlechte Sache. Gegen den Comic hält der Film einfach keinen Vergleich stand.

Watchmen ist ein grandioser Film mit superdichter Atmosphäre, politischem Hintergrund und einer genialen Story. Die Besetzung und Umsetzung durch den Regisseur ist gelungen. Insgesamt ein 5-Sterne-Film. Für das geänderte Ende gibt es einen halben Stern Abzug und für das bei der Übertragung verloren gegangene Flair auch noch mal einen halben.

Aus diesem Grund erhält Watchmen 4 von 5 Sternen.

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