6. April 2010

Eigentlich wollte ich am Wochenende nicht nach Hause. Aus Dublin zurückkommen, ein wenig chillen und mich auf die kommende Klausur vorbereiten, so stellte ich mir die Feiertage vor. Das ganze Oster-Konzept war mir egal und das Wetter sollte ja auch nicht gerade toll werden. Das änderte sich dann aber schlagartig, als sich auf einmal die komplette Familie nach Zeulenroda ankündigte. Endlich mal wieder alle unter einem Dach, das wollte ich dann wiederum auch nicht verpassen.

Also ging es von Dublin nach Memmingen nach Stuttgart nach Zeulenroda. Die Route hätte auch geschickter gewählt werden können. Ich war sehr überrascht, wie sehr eine Woche im Ausland die Sichtweise auf die eigenen Gepflogenheiten ändert. Die folgenden Szenen der Bahnfahrt können sich nun wirklich nur in Deutschland zugetragen haben.

Der Zug war rappelvoll, es ging nach vorne und nach hinten nichts und man musste wirklich froh sein, einen Sitzplatz ergattern zu können. Naja, war ja auch Karfreitag. Als sich die Situation dann aber nach nur zwei Bahnhöfen in Neuhaus entspannte, dachte ich, es würde eine ruhige Fahrt werden. Denkste.

Vor mir: Ein braungebrannter, leicht südländischer Typ in seinen Vierzigern mit seiner Patchwork-Familie - Hemd mit Ausschnitt zum Bachnabel und Brusthaar.Ungehobelt und laut regt er sich über die Bahn, Ostdeutschland und die Gesamtsituation auf, wenn er nicht gerade seine kleine Stieftochter anschreit. Die will eigentlich nur Aufmerksamkeit, ihre Mutter aber lieber Musik hört ("Du bist mir zu laut, da muss ich die Kopfhörer aufsetzen"). Auch sonst bringt diese Frau nicht viel Geistreiches heraus: "Lesen gefährdet die Dummheit - des is ein cooler Spruch", mahnt sie ihre Kinder. Hauptsache mit sich selbst beschäftigt. Wie die drei Kinder dazugehören, weiß ich nicht. Beide Elternteile werden mit Vornamen angesprochen. Keines Älter als 15 und trotzdem werden die beiden "Großen" zum Rauchen geschickt. Die kleine will weiter Aufmerksamkeit, aber die Frau lackiert sich lieber die Nägel und der Mann scheitert am einfachsten Sudoku ("Des is aber auch schwär").

Das ganze wird mir etwas zu viel und ich gehen auf Toilette. Das Bild ist dort etwas anders. Hier lassen sich die Leute erst selber vor und dann andere. In den 20 Minuten, die ich warten muss, vergibt mein Nachbar meinen Sitzplatz. Ich hätte wohl drauf machen sollen. Dafür unterhält mich ein alter Mann. "In der Ukraine gibts rassige Frauen. Bildhübsch und guter Charakter." Ich werd's mir merken. Und dass man in St. Petersburg besser verdient als hier.

Ich komme zurück und setze mich demonstrativ vor meinen weggenommenen Platz, meine Tasche steht ja da. Nur das Zugpersonal, dass auch nur aus dem Kabuff kommt, wenn der Zug wieder etwas leerer ist, treibt mich aus dem Gang.

Eine Woche Dublin und schon findet man Deutschland zum Abgewöhnen.

Naja, wenigstens war die Rückfahrt am Montag entspannt. Die war geprägt von viel Schlaf und vielen kleinen Träumen. Es ist schon ziemlich interessant, wie bei solchen ganz kurzen Einschlafphasen die Wahrnehmung getrübt wird und das gesehene direkt im Kopf weitergesponnen wird. So sah ich oftmals genau den Gang, in dem ich gerade saß, sah aber Leute, die dort gar nicht waren. Zum Beispiel: Ein Klassenkamerad, den ich seit 5 Jahren nicht gesehen habe, saß mir im Traum gegenüber, als ich die Augen öffnete war da nur Bundeswehrsoldat "Lehmann". In einem anderen Kurztraum habe ich in Helge Schneiders Badewahnne pürierte Karotten aufgewärmt. Witzig, witzig.

Der Rest der Rückfahrt war unspektakulär. So sollte eine Bahnfahrt sein.

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