18. August 2009

Wer ist schuld? Wer war schuld?

Ich mag Filme mit Tiefgang. Als ich also heute in meinem Buch blätterte und die WM-Übertragung im Ersten aufhörte, begann "Höhere Gewalt", ein Film vom Lars Henning Jung über 6 Jugendliche, die ihr letztes gemeinsames Wochenende in einem abgelegenen Haus verbringen. Schon bald musste ich meinen Lesestoff aus der Hand legen und ließ mich bis in die Nacht an diesen Film fesseln. Sollte "Höhere Gewalt" genug Tiefgang besitzen?

Freunde sind Strecker, Betz, Jasmin, Maike, Steffi und Sören nicht wirklich. Aber durch irgendeinen mir unerfindlichen und lebensfremden Grund fahren sie gemeinsam in die Pampa, um sich noch einmal dem Alkohol, Drogen und einem gewissen Gemeinschaftsgefühl hinzugeben. Schon am ersten Abend beginnt sich die Spirale zu drehen, Beziehungen werden durcheinander gewirbelt, Manipulation ist an der Tagesordnung, wie versessen steigern sich die Charaktere immer weiter hinein und der Kreisel hört erst bei Vergewaltigung und Mord auf sich zu drehen.

Höhere Gewalt wartet mit einem verstörenden Weltbild der Jugendkultur auf und stößt dabei in tiefste Abgründe der Menschlichkeit vor. In diesem Film gibt es keinen Gewinner, keine Moral und erst recht kein Happy End, nur diese Schlucht. Doch was will uns dieser Film denn sagen? Dass sich Selbstjustiz lohnt? Dass Gewalt die Lösung ist? Dass die größten Arschlöcher und verwerflichsten Menschen am mildesten davon kommen, sogar dem Film als Erzähler dienen und Sprüche einwerfen wie: "Wer krank ist, hat sich angesteckt." oder "Mutter sagt, räum dein Zimmer auf"? Dass Frauen nur Opfer sind?

Mal von der Handlung abgesehen, bietet der Film einiges. Die Darsteller zeigen, dass es auch in Deutschland gute Schauspieler gibt. Die Mädels spielen ihre Opferrolle sehr gut, mit dem Nerd kann man sich noch am leichtesten identifizieren, das Arschloch wirkt wie von einem Arschloch gespielt und in all diesem bunten Treiben beweist Tobias Schenke, dass er mehr kann als nur den pubertierenden Jungen in Komödien zu spielen. Und dass obwohl seine Rolle hier nicht unähnlich ist.

Der Film glänzt vor allem durch seine Bilder und ruhige Kameraführung. Das transportiert die Atmosphäre sehr gut zum Zuschauer, die Dialoge tun den Rest. Die Musik reiht sich nahtlos ein. Jung hat hier mit seinem Abschlusswerk an der Filmakademie Baden Württemberg bewiesen, dass er sein Handwerk versteht.

Allerdings muss ich mich doch wirklich fragen, wo er die Idee und Inspiration für die Handlung fand. Denn für jemanden, der diese Zeit, die die Jugendlichen hier durchmachen, gerade erst hinter sich hat, wirkt der Film sehr weltfremd. Die ganze Ausgangssituation ist zu konstruiert und die Konstellation der durchaus interessanten und abwechslungsreichen Charaktere ist aus dem Himmel gegriffen. Ihre Aktionen und Reaktionen sind allerdings durchaus natürlich, bis zu einem gewissen Grad.

"Höhere Gewalt" hinterlässt bei mir aufgrund dieser Mängel einen sehr faden Beigeschmack und das Prädikat Kann man mal gesehen haben, aber trotz guter Umsetzung ist nicht mehr drin.

2 Sterne von 5.

1 Kommentar:

fufu hat gesagt…

Habe ja auch darüber gebloggt und denke, dass 2 von 5 Sternen noch recht freundlich ist ;)

Ja, für Jung-Schauspieler ist solcher Stoff eine Gelegenheit, sich zu beweisen. Das tun sie auch, würde man Vinzenz Kiefer auf der Straße treffen, hätte man vermutlich erst einmal ein Sympathie-Problem, wenn man ihn nur aus diesem Film kennt. Daran erkennt man, wie authentisch das rüberkam, was für einen Schauspieler ein Kompliment ist.

Dennoch: Das Thema dieses Films, hm. Natürlich gibt es auch in der realen Welt da draußen schlimme Dinge und Menschen, die auch zu solchen Dingen fähig sind, aber eine Art Freundeskreis wie dieser würde sich in der Realität vermutlich niemals bilden. Zumindest nicht so, dass alle innerhalb dieser Clique aufeinander losgehen (höchstens auf andere aus einer anderen Clique, das würde ich noch irgendwo nachvollziehen können als Drehbuch).

Du hast Recht, kein Happy End, keine Moral, nichts, was der Film einem am Ende eigentlich mitgibt. Regt vielleicht zum Nachdenken an, vielleicht auch nicht.
Habe vor Kurzem "Revolutionary Road" gesehen, der ja auch mit Gesellschaftskritik zu tun hat. Das Ende hat auch nichts mit Happy End zu tun, dennoch gibt einem der Film eine Botschaft mit auf den Weg. Das geht auch ohne diese endlose Gewalt, Vergewaltigung und Mord und vulgäres Gequatsche bis zum Abwinken.

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