17. September 2009

Ich habe mir vorgenommen, mich so viel und oft wie möglich vor dieser Wahl zu informieren und politisch zu bieten, doch langsam bin ich froh, dass bald Wahlen sind und der Spuk und die Zahl der Informationen, die auf einen niederprasseln dann vorbei ist. Wie auch schon Angela Merkel konnte sich der Spitzenkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, es sich natürlich nicht nehmen lassen, nach Stuttgart zu kommen. Sie erlebte ich vor dem TV-Duell, ihn danach. Ich war gespannt, wie sehr sich seine Darbietung mit der vom Sonntag deckt.

Also streifte ich wieder mein Piratenpartei-T-Shirt über und machte mich auf den Weg zum Marktplatz. Nach den merkelschen Erlebnissen am Freitag stellte ich mich auf das schlimmste ein, doch die einzige direkte Konfrontation erlebte ich direkt am Anfang. Sonst war es ruhig.


Ein Herr mitleren Alters erblickte mich und sagte, dass das hier eine SPD-Veranstaltung ist. Er meinte wohl, ich sei nicht willkommen. Ich entgegnete gelassen, dass es aber eine öffentliche Veranstaltung ist und ich hier bin, um mich zu informieren. "Da könnte ja jeder Chaot kommen", war seine Antwort. Recht hat er, es ist ja auch eine öffentliche Veranstaltung. Dafür gab es aber von der SPD bereitgestellte Ordner, die eine Binde bekamen. Diese Binden erinnerten mich ganz stark an "Die Welle" und deshalb fand ich sie ziemlich grenzwertig.

Ein zweites Gespräch kam mit einem schon etwas angetrunkenen Herrn zu Stande. Er fragte mich, wieviel Prozent ich denn unter den 6% der Sonstigen hätte. Er meinte wohl die Piratenpartei. Da ich kein Mitglied bin, die Zahlen und Prognosen nicht kenne und nur das Ergebnis der Europawahl im Kopf hatte, entgegnete ich, dass ich 2% als realistisch einschätze, aber trotzdem auf ein gutes Ergebnis hoffe. Er meinte, man solle die Großen bestrafen und "Grüne und Linke wählen, vielleicht sogar die FDP." Als kurz darauf Frank-Walter für eine halbe Stunde später angekündigt wurde, ging er aber. Dafür arbeite er nicht den ganzen Tag...

Wie immer stellte ich mich nicht zu den Piraten, einfach weil ich nur da war um mich zu informieren und eventuell Diskussionen anzuregen. Die Gruppe der Piraten kam mir größer vor als die bei Frau Merkels Auftritt, aber das kann auch täuschen. Vor mir war eine kleine Gruppe junger Leute, die das FW auf einem "FW Steinmeier"-Schild zu einem "für" abwandelten und darüber noch ein großes "Nicht" schrieben. Als sie ihr "Nicht für Steinmeier"-Schild das erste Mal hochhielten, stürzten sich gleich alle Fotografen darauf. Der Piraten-Slogan des Abends war "Liebe SPD, wir 5%-Parteien müssen doch zusammenhalten".


Weitere Protest-Slogans: "Schluss mit deutschen Waffen für israelische Kriegsverbrecher" und "Don't talk with Ahmadinedschad". Als eine weitere Gruppe anfing Solgans zu brüllen "Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten" und "Weg mit Hartz-4" entfernten sich die nahestehnden Piraten und schwangen ihre Fahnen woanders. Das fand ich richtig gut und das war wohl auch eine Konsequenz daraus, dass viele Zuschauer beim Kanzlerin-Auftritt die Protestler mit den Piraten assoziierten. Klasse Sache. Die Protestler wurden auch gleich von umstehenden SPD-Befürwortern verbal und körperlich attackiert, dass die grünen Jungs eine kleine Pufferzone einrichten mussten. Dass es da auch immer wieder Leute gibt, die meinen, solche Protestler zu konfrontieren. Schlimm...

Die eigentliche Veranstaltung begann mit einem Moderator, der mir zu viel in Konjunktiven sprach. "Falls", "Ob", "Könnte", "Mal sehen" und "Vielleicht" waren viele seiner Worte. So richtig überzeugt und überzeugend klang das nicht. Er holte danach alle Direktkandidaten der SPD aus der Region auf die Bühne, nur Ute Vogt, die in meinem Wahlkreis kandidiert war nicht dabei.

Die Kandidatin (auch eine Ute) im Kreis "Stuttgart Nord" sprach über einen Bildungssoli, eine Idee, die sie mit Jürgen Trittin von den Grünen entwickelt haben muss. Er sagte genau das Gleiche im kleinen Fernsehduell am Montag. Während diese Ute ziemlich lange sprach, begann ich mich zu fragen, ob die anderen Leute, die auf der Bühne waren, nur das Equivalent der kroatischen Ministerpräsidentin von der Merkel-Veranstaltung seien, denn auch sie kamen kaum zu Wort.

Der Kandidat aus Rottweil sagte, dass Arbeit Würde braucht, so wie der Mensch. Genau das habe ich vor kurzem in einem Container der Initiative Mindestlohn gelesen. Angeblich von einem Musikhändler. Ob es da Absprachen gab? Der Kandidat aus Ludwigsburg (ein Jan, soweit ich mich erinnere) sprach die Vorkommnisse in München an. Er verurteile da überhasteten Aktionismus, sprach sich gegen stärkere Videoüberwachung aus und wollte keine schärferen Gesetze. Schließlich denken die Jugendlichen bei ihren Taten wohl kaum an die Folgen. Dafür erntete Jan selbst von mir spontanen Applaus.


Dann war es endlich soweit, Frank-Walter-Zeit. Wie schon bei Angela Merkel wurde ein kleiner Gang durch die Menschenmenge geschaffen. Diesmal direkt an mir vorbei. Als der Vizekanzler dann an mir vorbeikam, sah er mir kurz in die Augen und begrüßte dann die Kids neben mir, die den Gang freihielten. Das war schon ziemlich nahe. Auf dem Foto, das ich schießen konnte ist er der unscharfe Fleck in der Mitte. Ute Vogt hatte er auch mit im Schlepptau und so konnte ich die Kandidatin aus meinem Kreis auch noch reden hören.


Dann war der SPD-Spitzenkandidat dran. Und er polterte los. Anders als Frau Merkel am Freitag produzierte er aber mehr als nur heiße Luft. Zum einen ging er auf die aktuellen Geschehnisse in München und heute in Ansbach ein und hielt dazu erstmal einen 10-minütigen Monolog und danach sprach er erstmal von allgemeinen Zielen, die jeden in Deutschland betreffen, zum Beispiel braune Suppe im Bundestag verhindern. Auch hier konnte ich durchaus klatschen. Auch hier fand ich es ziemlich schlimm, dass die Protestler Radau machen, wenn er dem Opfer von München und dessen Courage gedenkt. Nunja...

Seine Rede kam mir zum ersten Mal in diesem Wahlkampf auch vor wie ein Kampf und nicht wie eine Aufforderung eine Überdosis an Schlaftabletten zu nehmen. Munter polterte er gegen die CDU. Im Gegensatz zu Merkel kennt Steinmeier seine Gegner und versucht nicht eine kleine Piratenpartei gegen sich aufzubringen, sondern greift die CDU direkt an. Dabei verwies er immer wieder auf die Landtagswahlen in Saarland und Thüringen. Schwarz-Gelb sei dort nicht gewünscht. Zum einen ist das einfach falsch, denn die CDU hat trotz Verlusten trotzdem gewonnen, das bedeutet immer noch, dass eine Mehrheit der Leute die CDU wollen. Und in einer Demokratie gewinnt halt der mit den meisten Stimmen. ICh fand es auch lustig, dass er immer wieder auf die Landtagswahlen verwies, aber Sachsen immer wieder unter den Teppich kehrte indem er es einfach nicht erwähnte. Gezielte Manipulation.


Was habe ich aus seiner Rede über Frank-Walter Steinmeier gelernt? Ich halte ihn immer noch für den fachlich-kompetentesten Kandidaten der großen Parteien und er wirkt, als würde er die Dinge anpacken. Dazu schiebt er gern Obama vor. Er sieht die Krise in unseren Köpfen, aha. Und alle Wähler, die er getroffen hat, sind klug. Oho. Kann er ja von Glück sagen. Er war insgesamt sehr bissig gegenüber der CDU, das hat er im TV-Duell nicht so gezeigt, vielleicht auch vor Respekt gegenüber der Kanzlerin. Aber heute stand sie ihm ja nicht gegenüber, sondern fast ausschließlich SPD-Anhänger.


Insgesamt wirkte diese Veranstaltung als hätte sie Substanz, während es sich bei Merkels Veranstaltung am Freitag um eine Inszenierung mit pompöser Band und Show handelte. Die Themen der Kanzlerin waren allgemein und verpufften in den Pfiffen von Protestlern während Steinmeier verschiedene Themen beleuchtete und versuchte fundierte Lösungen zu präsentieren. Die CDU setzte auf Fußball und die Popularität Merkels und die SPD auf Fakten, Argumenten und Lösungen. Merkels ständige Vergleiche und Huldigungen an Adenauer seien ein Schritt in die Vergangenheit. Und jeder zweiten Satz wurde irgendwie mit "Ich will" ausgeschmückt. Er wollte sich wahrscheinlich als der Anpacker hinstellen, ich weiß nicht, ob das bei den Skeptikern ankommt.

Ein weiteres zentrales Thema, das immer wieder angesprochen wurde war der Lohnausgleich zwischen Mann und Frau. Was ist mit dem Lohnausgleich zwischen Ost und West? Naja, egal. Wie er so schön selber feststellte, sozialdemokraten sind nicht unfehlbar. Das bewies mir auch ein Nebensteher mit seinem "Bänker"-Schild. Die Verenglischung der deutschen Sprache sehe ich auch kritisch, aber "Bänker"??? Ich bitte euch.


Mein Fazit der Veranstaltung ist ein recht positives. Ich bin froh, dass er auch aktuelle Ereignisse und Themen von allgemeiner Bedeutung angesprochen hat. Der Rest der Veranstaltung war natürlich wieder reinste Aufforderung an die gekommenen SPDler ihre Hände rhythmisch ineinander zu bewegen. Gähn. Für mich macht Frank-Walter Steinmeier den besseren Eindruck als Angela Merkel. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, beide Veranstaltungen mitzunehmen. Wahrscheinlich wurde bei beiden so viel heiße Luft produziert, dass man ganz Stuttgart für diesen Winter hätte heizen können.


Nächsten Donnerstag kommt Guido Westerwelle, mal sehen, ob ich dazu noch die Kraft habe. Gregor Gysi habe ich gestern leider verpasst und was die Grünen machen, weiß ich nicht. Schön zu sehen, dass die Piraten eine starke Präsenz zeigen und sich von Parolenschreiern distanzieren. Das fördert ihre Ernsthaftigkeit und zeigt, dass ich mit der richtigen Partei sympathisiere. Vielleicht werden es ja mehr, als die von mir prognostizierten 2 Prozent.

2 Kommentare:

Anja hat gesagt…

Na, da scheine ich ja mal was verpasst zu haben - wobei ich noch nicht mal richtig mitbekommen habe, dass der gute Fränk in Stuggi-Town sich kurzzeitig breit machte...
Dennoch kann ich mit der Piratenpartei nicht. Keine Ahnung wieso, aber sie sagt mir einfach nicht so recht zu...

Grüße

Maith hat gesagt…

Ja, mir kam es auch richtig kurzfristig vor und etwas unorganisiert. Auf den Plakaten stand nur 19 Uhr als Beginn. Er selbst trat aber erst 20.15 Uhr auf. Da hätte ich mir mehr Information gewünscht. Bei Merkel war das besser.

Nicht mit der Piratenpartei können ist etwas Anderes als einfach nicht informiert zu sein. Hauptsache Wählen gehen und für seine Sache einstehen...

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