13. September 2009

Ich sitze hier gerade und es ist still. Der Fernseher ist aus. Das TV-Duell ist vorbei und es war nicht mehr als eine, wie ich es nenne, WOT. Eine Waste-Of-Time. Von Langweile geprägt zog es sich unnötig in die Länge. So kam es einem jedenfalls vor. Günther Jauch sagte hinterher, es war eine Werbeveranstaltung für die große Koalition, bei der jeder seine persönlichen Erfolge hervorhebt. Meiner Ansicht nach traf er damit genau ins Schwarze.

Aber spulen wir mal zurück...

Es ist 20.15 Uhr. Das Duell steht kurz bevor und man muss sich für einen Sender entscheiden. In der ARD diskutieren politische Vertreter (Edmund Stoiber und Klaus Wowereit) mit bekannten Gesichtern aus dem Fernsehen (Anne Will und Günther Jauch) - bei RTL wird gezeigt, was die beiden Hauptdarsteller vor der Übertragung essen. Die Prioritäten sind klar, die Entscheidung schnell getroffen. Die ARD ist mein Favorit, am Ende ist es sowieso egal.

Die Moderatoren sind die üblichen Verdächtigen, ich hatte nur Angst, dass es eine Frank-Plasberg-Show wird. Es wurde keine. Es wurde eine Moderatoren-Show. Während des gesamten Duells machten es alle Plasberg nach und unterbrachen die Kandidaten, redeten dazwischen oder ließen sich auf eine Diskussion ein. Das war überhaupt nicht deren Aufgabe. Sie sollten Fragen stellen. Diese ganzen Plasbergischen Unterbrechungen sorgten schonmal für eine miese Grundstimmung und eine extreme Genervtheit, nicht nur bei mir sondern auch sichtlich bei den Kandidaten.

In einer Mehrparteien-Demokratie wie bei uns in Deutschland ist ein TV-Duell mit nur 2 Kandidaten sowieso sinnlos, da es viel mehr zu hören und zu diskutieren gibt, als nur die Meinungen der beiden großen Volksparteien CDU und SPD. Vor allem, wenn diese gerade aus einer Großen Koalition gibt, bei der beide gut zusammenarbeiteten und die Kandidaten wahrscheinlich mehr als nur großen Respekt füreinander haben. Merkel und Steinmeier mussten die vier Jahre so eng zusammenarbeiten, dass jeder die Qualitäten des anderen zu schätzen weiß. Und genauso verlief die Veranstaltung auch. Es war ein Duett und kein Duell.

Geschaut habe ich das Duell von meinem Schreibtisch - mit meinem Mitbewohner auf der Couch, mehreren Diskussionspartnern im Chat und Twitter. Allerdings musste ich Twitter bald wieder einstellen. Bei sovielen Tweets entsteht keine Diskussion, sondern eher eine Schulhof-Stimmung, bei der jeder gerade reinschreit was er denkt. Bei so einem Ereignis ist Twitter zur Kommunikation völlig ungeeignet, einzig und allein für lustige oder aufklärende Kommentare war es gut.

Wir mussten feststellen, dass Peter Kloeppel etwas alt geworden ist und langsam ergraut. Könnte ihm stehen, wenn er dazu steht. Ich hatte gehofft, dass er noch ein paar Fragen zur außenpolitischen Lage in Lampukistan stellt, aber dem war nicht so. Bei seiner ersten Frage musste Frank Plasberg natürlich gleich provozieren und unterbrechen, in feinster Hart-aber-Fair-Manier. Dass alle anderen Moderatoren auf diesen Zug aufspringen war zu der Zeit noch nicht abzusehen. Angela Merkel begann mit exakt den gleichen Worten, die sie am Freitag in Stuttgart an die Leute richtete. Standardtext also...

Ein Moderator fragt, warum Frau Merkel eine Frage nicht wirklich beantwortet. "Ich beantworte meine Fragen, so wie ich das will." Ich ergänze "Und wenn ich sie dabei nicht beantworte!" Insgesamt wird viel ausgewichen und kaum eine Frage wirklich beantwortet, aber das kennen wir ja von anderen TV-Duellen. Da wünscht man sich doch etwas Obama-Mentalität herbei. "Change" und "Yes, we can!" möchte man den beiden zurufen. Die Bundeskanzlerin wirkt zum Anfang etwas schlecht gelaunt, klar nach dem Empfang in Stuttgart ;)

Laut Steinmeier (Steini, wie ich ihn im Chat nenne) ist die Krise in den Köpfen der Menschen vor allem eins: Unterbelichtet. Oder meint er damit die RTL-Zuschauer? Aber wir wollen nicht verallgemeinern. Immerhin wirkt Steini extrem kompetent und vorbereitet. Die erste Hälfte gehört fachlich ihm, oder jedenfalls von der Redekunst. Fachlich kommt ja nicht viel dabei raus. Merkel meint, dass alle guten Gesetze aus Zeiten kommen, in denen die CDU an der Macht war. Schlechte Gesetze hat niemand gemacht, oder so...

Frank Plasberg lacht, Steinmeier weist ihn zurecht. Verstanden hat der Moderator das Wohl nicht. Anscheinend scheinen sie den ganzen Abend nichts zu verstehen. Peter Kloeppel liest einen Satz korrekt vor, verdreht ihn dann und meint hinterher, er verstehe es nicht. Moderne Rhethorik. Ich hoffe, dass wenigstens die Bild-Zeitung ihre Verdreher noch versteht. Beim Fernsehableger RTL ist das nicht so. Fernsehen ist sowieso ein schnelllebiges Medium, da ist sowas beim gemeinen Zuschauer vergessen. Im Netz wird es wohl irgendwo bei Youtube hängen bleiben. Das Netz vergisst nichts. Auch Maybrit Illner zeigt Ansätze von gewisser Inkompetenz. Nur N24-Mann Peter Limbourg hält sich damit etwas zurück. Dafür unterbricht auch er munter weiter.

Ich eliminiere ein paar Nebensätze aus Frau Merkels Schachtelsatz und zurück bleibt die Aussage: "Jeder, der sich was zuverdienen will, ist wichtig für unser Land." Ja Frau Merkel, wir sind im Kapitalismus. Steini meint zu dem Thema "Jeder, der den ganzen Tag arbeitet, muss von dem Lohn leben können." Recht hat er. Die Redezeit wird zum ersten Mal eingeblendet. Beide liegen gleich auf. Ein Chatpartner meint, dass Steinmeier mehr gesagt hätte - von der Zeit her, nicht inhaltlich.

Zum Thema Opel meint Steini, dass der Konzern mit einer schwarz-gelben Regierung tot wäre. Merkel widerspricht. Steini redet weiter und auf einmal ergänzt die Kanzlerin seinen Satz. Es herrscht pure Harmonie. Sieht so ein Duell aus?

Es ist fast Halbzeit und das Thema Atomkraft steht an. Es ist für mich ein schwieriges Thema. Denn ich finde Atomkraft ist eine der saubersten, effizientesten, und sichersten Energiequellen, die wir haben. Das führen sich aber viele Leute nicht vor Augen. Vor allem wenn es einen kleinen Defekt gibt, dann ist das Geschrei groß. Ich möchte nicht wissen, wieviele Sicherheitsverstöße es in Kohlekraftwerken gibt. Das Problem sind die Restprodukte der Kernenergie. Aber anstatt die in unsere Erde zu tun würde ich sie lieber in die Sonne schießen. Überhaupt: Das ganze Müllproblem würde ich auf Raketen packen und in die Sonne schießen. Ein gigantischer Müllschlucker, der nur 8 Lichtminuten entfernt ist und wir nutzen ihn nicht, weil es wohl zu billig ist. Nunja, meine Meinung bleibt: Lieber Atomkraft als den Ruß von Kohlekraftwerken in unserer Atmosphäre und Luft zum Atmen.

Merkel verhaspelt sich "... Arbeitnehmer und Arbeitnehmer ...". Das einfache Volk muss doppelt angesprochen werden. Als Steini zu dem Thema redet schaut sie öfter etwas verstört herüber. Ein Blick wie ein Terminator. Sie sollte Arnold anders herum machen, erst Politik, dann Hollywood. Für jeden verrückten Kampfroboter aus der Zukunft ist sie geeignet. Frank Walter hat dagegen pechschwarze Augenbrauen. Ob die gefärbt sind, fragen wir uns im Chat. Naja, auf jeden Fall gezupft. Das Moderatorenteam fragt, warum die Regierung jede dreckige Kneipe schließen kann, aber keine Bank. Weil in der Bank Geld liegt und nicht nur Dreck wie in der Kneipe, Herr Plasberg.

Schon wieder stimmen beide überein. Angela Merkel nickt zu Steinis Ausführungen sogar mit einem Lächeln. Ich finde, sie sollten beide Kanzler werden. Co-Kanzler, quasi. Steinmerkel. Dann aber bitte ohne Streit wie bei Scrubs gestern auf Pro7. Apropos Pro7, ich bin immer kurz davor auf den Simpsons-Film umzuschalten. Den hab ich zwar schon gesehen, ist aber trotzdem nicht so vorhersehbar wie dieses "Duell".

Maybrit Illner wirkt unvorbereitet. Gerade fällt ihr auf, dass Linkspartei und SPD Schnittmengen haben. Schön, dass ihr auffällt, dass beide Parteien links ausgerichtet sind, historisch die selben Wurzeln haben und soziale Demokratie auf ihren Fahnen wehen haben. Bei Twitter wuselt es kräftig. Da ist auch von Langeweile die Rede, aber vor allem von Ärger über die sinnlosen Moderatoren. Peter Kloeppel fragt, woher Wachstum kommt, ein Twitter-User empfiehlt ihm ein VWL-Buch zu lesen. Ein anderer meint, dass dieses "Duell" brutto wie netto eine Unverschämtheit für jeden ist, der (noch) selbständig denkt. Man möchte ihm beipflichten, der in der schieren Masse der Tweets geht es unter.

Es ist fast halb 10 und Steini wirkt jetzt vor allem genervt von den ständigen Unterbrechungen der Moderatoren. Immer wieder zuckt er zusammen wenn Plasberg mit Sprüchen kommt wie "Ich möchte nur ungern stören", wo wir doch alle wissen, dass Stören sein Beruf ist. Aber Frank Walter merkt schnell, dass auch die Kameras seine Laune nach außen transportieren. Er versucht sich zu bessern. Er lacht und grinst in die Kamera und das hält er sogar bis zum Schluss durch. Glänzte er in der ersten Halbzeit mit fachlicher Kompetenz, so glänzt er in der letzten halben Stunde mit Karisma und breitem Lächeln.

Bei einer Aussage Merkels zückt er den Stift und schreibt etwas auf. Ich bin überrascht. Im Chat versichert man mir, dass sie keine geschriebenen Fakten mitnehmen durften. Das durften die Moderatoren, allerdings scheinen sie davon keinen Gebrauch machen zu wollen. Dummes Geschwätz kommt nur aus der Ecke des Vierergespanns. Angela Merkel verteilt keine Posten vor der Wahl. Hoffen wir, dass sie es nach der Wahl auch nicht braucht. Trotzdem wird sie nach dieser Aussage noch zwei Mal gefragt, wie sie denn verschiedene Ministerposten besetzen wolle.

Die Moderatoren sind anscheinend unzufrieden, zu viel Übereinstimmung. Steini kontert: In der Vergangenheit stimmen beide überein, für die Zukunft haben sie unterschiedliche Vorstellungen. Und wieder hat einer der Kandidaten recht und die Moderatoren sehen schlecht aus. Angela Merkel hat dafür mit ihrer Aussage Recht, dass die SPD im Moment nicht so richtig weiß wohin. Das ist sicher auch für manche Leute ein KO-Kriterium bei der Wahl. Frank Walter redet, ein Moderator unterbricht ihn, der wiederum von einem anderen Moderator unterbrochen wird. Das wirft wirklich kein gutes Licht auf unsere Journalisten.

Auf die Linkspartei angesprochen greift Merkel Steinmeier an: "Sie sagen: Nur über meine Leiche. Und wir beide wissen, wie schnell das in der SPD gehen kann." Ein Punkt für die Kanzlerin und wahrscheinlich die erheiterndste Aussage des Abends. Das Duell neigt sich dem Ende. Schlusssatz: Keine Verlängerung, keine Verletzten. Das ist gelogen. Ich bin verletzt. Das Duell ist vorbei. Endlich.

Inhaltlich war von vorneherein klar, dass nicht viel dabei heraus kommt. Hier ging es nur darum sich vor dem breitesten aller Publikume zu präsentieren. Für viele Menschen wird das die erste und einzige Berührung mit dem Wahlkampf in diesem Jahr sein und deshalb ist es schon wichtig etwas zu sehen. Dass nur 2 Parteien eingeladen werden ist absolut unverständlich und in einer Demokratie wie unserer absolut unverantwortlich von den Medien. Wir haben kein Zweiparteiensystem und es gibt mehr Kandidaten als Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier. Ich hoffe, dass das vielen Menschen klar ist.

Da kein richtiges Rede-Duell entstand, war die Veranstaltung etwas langweilig. Besonders nervig waren allerdings die 4 Moderatoren der beteiligten TV-Stationen. So etwas unverschämtes und unsittliches Verhalten habe ich kaum erlebt. In so einem Duell, wo jeder nur 90 Sekunden hat, da auch noch zu unterbrechen mit belanglosen oder völlig sinnfreien Fragen. Das hat nicht nur die Kandidaten genervt, sondern vor allem mich. Diese Moderatoren haben eine Vorbild-Funktion, der sie heute absolut nicht gerecht wurden. Es ist also ok in Debatten dazwischen zu reden, oder was? Absolut unterstes Niveau, das aus einer langweiligen auch noch eine frustrierende Sendung machte. Bitte nie wieder. Kloeppel: Fail. Illner: Fail. Limbourg: Fail. Plasberg: Uber-Fail. Ihr seid die wahren Helden der Nation. Herzlichen Glückwunsch. Die Bundeskanzlerin und ihr Vize-Kanzler haben sich dagegen recht beachtlich geschlagen, in Fragen, die relevant waren.

Fazit: Ein solches Duell muss in so einer Konstellation nicht mehr stattfinden. Kuschelkurs war angesagt und nur in wenigen Fragen kam hitzige Debatte und Duell-Feeling auf. Das nächste Mal bitte ohne diese nervigen Moderatoren, die an diesem Abend die Bezeichnung "Journalist" nicht verdient haben. Ich sah Steinmeier etwas vorne, meine Stimme haben beide nicht. Hinterher wird jedes Lager den Sieg für sich reklamieren und die Diskussionen darüber so belanglos wie das Duell selbst. Die Abschlussreden von beiden ergaben sich ja auch nicht aus dem Duell, sondern waren einstudiert. So funktioniert das...

Ich würde so ein Duell nur noch gerne wieder sehen, wenn es eine Parodie von Switch Reloaded wäre. Da haben die Autoren doch hier sicher großartiges Material gefunden.

2 Kommentare:

Daniel Schmid hat gesagt…

WOW Maith ... was für ein ausführlcher Bericht vom TV-Duell/Duett. Ich konnte es gestern ja nicht sehen, denn ich war unterwegs, aber ich fühl mich jetzt informiert.

Nur nochmal zum Thema saubere Atomkraft. Die überlegung mit der Sonne hatte ich auch schon. Aber beim Weiterdenken kam ich dann zu dem Schluß: Erstens ist das Sauteuer ... anscheinend kostet jedes Kilogramm Gewicht in einer Rakte ins Weltall (bzw. zum Mond) zu transportieren ein haufen Geld. Aber das könnte man ja noch aufbringen. Aber findest du das eine wirklich gute Idee eine Rakete, vollgepumpt mit Treibstoff noch zusätzlichmit radioaktivem Material zu beladen. Gott sei dank hatten wir in den letzten Jahren wirklich wenig Unfälle bei Starts von Raketen ... aber wenn du das Risiko betrachtest ... mir wär es nicht wohl dabei. Welches Land soll denn das Risiko auf sich nehmen unseren deutschen Atommüll in die Sonne zu schießen? Wir Deutsche regen uns doch schon auf über nen kleinen Castortransport ... und dann unseren gesamten Atommüll nach Amiland zu fahren und verschiffen ... irgendwie krass .. und wenns nur runter nach Afrika ist zur ESA-Abschussrampe.
noch als kleiner Joke wegen dem allgemeinen Müll in die Sonne .. da muss ich immer an die Futurama-Folge denken, als der Müll wieder zurückkam und drohte die Erde zu zerstören *G*

Maith hat gesagt…

du hast recht. die risikokomponente is da immer noch dabei. da müsste man eine raketenbasis irgendwo bauen, wo keiner ist oder was keiner braucht. grönland, antarktis oder australian oder so ;) und die futurama-analogie ist mir natürlich bewusst, deswegen lieber in die sonne..

guter einwand, deswegen muss man den plan noch verfeinern. dafür sollte dann erstmal ein weltraumlift zur internationalen raumstation gebaut werden damit geht der müll in den orbit und dann von dort zur sonne geschickt... da reicht ja ein kleiner anstoß und das zeug fliegt alleine... kann ja jahre brauchen

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