23. September 2009


Change. Veränderung. Eine neue Perspektive. Das wollte Obama vor seiner Wahl. Was der gute Mann aber unerwähnt ließ ist, dass sich auch so ständig alles ändert. Alles ist im Fluss. Meine Heimatstadt Zeulenroda nicht ausgenommen.


Vor meinem Schlafzimmerfenster passierte in den letzten Monaten ziemlich viel. Ein paar alte DDR-Überbleibsel müssen der Moderne weichen. Was da hin kommt und wer das eigentlich nutzen soll, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ergeben sich für mich neue Perspektiven auf Straßen und Gebäude, die ich schon mein Leben lang kenne. Nur aus dem neuen Blickwinkel nicht. Das ist für mich der Grund mich mit meiner Kamera zu bewaffnen und loszustiefeln und Zeulenroda neu zu erkunden.


Als ich dann über die nicht abgesperrten Baustellen stieg, kam mir eine Anwohnerin entgegen: Ob ich denn nun von der Presse oder von den Grünen sei. Beides irgendwie eine lustige Vorstellung, aber ich versicherte ihr, dass ich nur ein Privatfotograf sei. Im Nachhinein hätte ich wohl behaupten sollen, ich komme von Google und mache Fotos für StreetView.


Aus einer Firma für Werbetechnik ruft es mir zu, dass Zeulenroda gar nicht so schön sei und deshalb nicht fotografiert werden bräuchte. Aber ich bin hier aufgewachsen, ich suche nach Perspektive. Das könne sie sich gar nicht vorstellen. Wie auch, wenn man eben nicht hier aufgewachsen ist.


Doch wie Perspektivlosigkeit wirklich aussieht erkennt man an dem Fall, der mir heute zu Ohren gekommen ist. Ein alter Bekannter sucht einen Arbeitsplatz, ist beim Amt gemeldet und bezieht Unterstützung. Er bewirbt sich bei einer ortsansässigen Firma, die gerade händeringend Leute sucht. Er soll dort Probearbeiten, ohne Lohn! Nach dieser Probearbeit, die sogar einmal verlängert wurde (wieder ohne Lohn), wird ihm gesagt, dass er zum 1. Januar eingestellt wird... Wenn er bis dahin ohne Lohn dort weiterarbeitet.


Das ist Ausbeutung, das ist unsere Gesellschaft, das ist der Sozialstaat und das ist menschenunwürdig. Da soll er die ganze Zeit bis dahin voll schuften und dann nur die Unterstätzung vom Amt bekommen? Kann er davon überhaupt leben? Bei so etwas braucht man sich nicht zu fragen, warum viele ohne Perspektive ins Leben starten... Hier müsste mal Veränderung passieren.


Ich blicke mich um. Hier ist meine Heimat, aber ich wohne hier nicht mehr. Gehöre ich hier hin? Vielleicht. Ich mag Zeulenroda. Ich finde Zeulenroda schön. Perspektive? Jeder Blickwinkel ergibt eine neue...


Ich schließe meine Tour mit einem Blumenkauf für meine Mutter. Auch im Fluss gibt es feste Größen. Manche Dinge ändern sich auch nicht.

1 Kommentar:

klara hat gesagt…

Alles fließt, alles verändert sich... Schöner Beitrag. Das letzte Foto ist sehr cool und originell.

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