Udo Jürgens ist tot. Joe Cocker ist tot. Und dann gibt es auch noch Leute, die in Zeulenroda gegen ein "Asylheim" sind.
Heute war ich auf der Versammlung "Aufeinander zugehen anstatt wegsehen - für ein buntes und weltoffenes Zeulenroda-Triebes". Grund für diese Veranstaltung sind aufkommende Proteste gegen mittlerweile verworfene Pläne in der Heinrich-Heine-Straße ein Asylbewerberheim einzurichten.
Auch heute war wieder ein Spaziergang geplant und deshalb wurde auf dem Markt eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die für ein weltoffenes Zeulenroda werben soll. Der Veranstalter betonte von Anfang an, dass es keine politische Veranstaltung sein sollte, und dass weder Plakate, Parolen und Alkohol auf der Versammlung im abgegrenzten Bereich geduldet würden. Und so blieb es eine nette Zusammenkunft mit Musik, Unterhaltung und einer guten Rede vom Bürgermeister.
Schon auf dem Weg dorthin traf ich auf Mitmenschen, die zum Spaziergang unterwegs waren. Da wurde es mir auf einmal mulmig, denn diese Kollegen wollten noch so viel Bier wie möglich vorher zischen und dann sich hoffentlich mit jemanden kloppen. Aber entweder waren sie dann später verschwunden oder hielten sich auf dem Markt im Hintergrund. Als der Spaziergang zu uns ankam, gab es ein kurzes Beschnuppern von beiden Seiten, dann widmeten wir uns den Trommlern vom Schieszhaus und der Feuershow. Ich denke, es waren auf dem Markt etwa 200 Leute und gegenüber waren etwa 100 Spaziergänger. Nach 20 Minuten löste sich dann der Spaziergang auf.
So... jetzt mal Butter bei die Fische...
Gerade in Zeiten von Pegida und Co. muss man Stellung beziehen.
In Zeulenroda wird gegen ein "Asylheim" bzw. "Asylantenheim" demonstriert, die Facebook-Gruppe nennt sich so. Es gibt diese Begriffe in Deutschland nicht, bzw. nur im Volksmund. Der korrekte Begriff ist "Asylbewerberheim". Flüchtlinge kommen nach Deutschland, bewerben sich um Asyl und werden in diesen Heimen untergebracht. Wie es den Asylbewerbern zum Beispiel in Greiz geht, kann man hier im Video von MDR Aktuell eindrucksvoll sehen. (Beim MDR in der Mediathek seltsamerweise nicht mehr vorhanden).
Während der ersten neun Monate ihres Aufenthaltes dürfen Asylbewerber nicht arbeiten. Viele kommen nach Deutschland, haben keine Arbeit, kein Geld, Nichts. Sie verbringen ihre Zeit im Heim. Ein Viertel aller Asylanträge wird wegen Formfehlern ohne Prüfung abgelehnt, von den geprüften Anträgen werden 2 von 5 abgelehnt. Das heißt in der Theorie, dass von einer fünfköpfigen Familie, zwei Mitglieder ausgewiesen werden.
Jetzt protestieren also Menschen hier dagegen, anderen Menschen, die gar nichts mehr haben auch nichts zu geben. Dabei hört man (und liest man in der inoffiziellen Zeulenroda-Facebookgruppe) fadenscheinige Argumente wie "ich habe nichts gegen politische Flüchtlinge, aber die Wirtschaftsflüchtlinge die es sich hier gut gehen lassen" (Das berühmte "Ich habe nichts gegen X, aber...")
Wir leben in einem Sozialstaat. Jeder, der in die Rente zahlt, weiß das. Jeder, der Arbeitslosengeld empfängt, auch. Dieses System wird ausgenutzt, aber nicht nur von Flüchtlingen. Und jetzt muss man sich mal fragen, ob man nicht verstehen kann, dass ein Mensch, der gar nichts hat und hier nichts bekommt, nicht von dem System in die Kriminalität getrieben wird, um sich ein Telefon zu beschaffen, damit er zuhause seine Familie kontaktieren kann?
Ist der Protest gegen das "Asylheim" nicht in die falsche Richtung gerichtet und sollte gegen ein System ankämpfen, das Menschen in einer Notlage erstmal in einem Limbo hängen lässt?
Ich kann die Menschen nicht verurteilen, auch bei den Pegida-Protesten nicht. Da sind Menschen mit ganz realen Sorgen und Ängsten. Und alle müssen gehört werden. Sich aber gegen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, zu wenden, ist der falsche Ansatz.
2012 bin ich gegen Acta auf die Straße gegangen, 2011 habe ich gegen Stuttgart 21 gestimmt und in dieser Zeit habe ich viele Proteste der Piratenpartei begleitet. Aus einem Grund: Weil ich genau wie diese Menschen unzufrieden mit der Politik bin und total verdrossen und enttäuscht bin. Damals bin ich nur von allen als Kinderficker beschimpft wurden, weil die Piraten gegen einen Internetfilter war. Damit musste ich leben.
Heute müssen die Menschen damit leben, als Nazis beschimpft zu werden. Wie auch nicht mit Aussagen wie "Ich bin nicht rechts, aber das hier ist immer noch Deutschland." Es gibt Fakten, Argumente und Gegenargumente. Die brauche ich hier alle nicht aufzählen.
Warum ich für ein offenes Zeulenroda bin?
Zeulenroda wird kleiner und älter. Von Jahr zu Jahr. Die jungen Leute hauen ab, weil es hier nichts gibt. Warum also nicht die Tore für Zuwachs öffnen. Wir müssen den Menschen zeigen, dass sie nicht in schlechten Bedingungen leben und dass sie nicht kriminell werden müssen, um sich zu integrieren.
Ich bin aus Zeulenroda geflohen, weil ich hier keine Perspektive sah. Keine Ausbildung und kein Job hier. Aber jetzt, wo ich anfange meine Existenz aufzubauen, sehe ich wieder Perspektive. Ich möchte zurück nach Zeulenroda. Ich möchte meine Kinder hier aufwachsen sehen. Aber ich möchte in ein Zeulenroda, dass offen für alle ist. Und wenn diese Gruppierung hier immer größer wird, dann brauchen sie sich nicht wundern, wenn keiner mehr zurück will und die Stadt verroht. Das ist nicht mein Zeulenroda und nicht das Zeulenroda in dem ich meine Kinder an solches Gedankengut verlieren möchte.
Deutschland hat 2006 der Welt gezeigt, wie offen und freundlich es sein kann. Es ist ein Armutszeugnis, wenn wir das alles wieder vergessen haben. Noch schlimmer wäre, wenn diese Offenheit nur Menschen gilt, die hier Fußball schauen wollen.
Heute war ich auf der Versammlung "Aufeinander zugehen anstatt wegsehen - für ein buntes und weltoffenes Zeulenroda-Triebes". Grund für diese Veranstaltung sind aufkommende Proteste gegen mittlerweile verworfene Pläne in der Heinrich-Heine-Straße ein Asylbewerberheim einzurichten.
Auch heute war wieder ein Spaziergang geplant und deshalb wurde auf dem Markt eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die für ein weltoffenes Zeulenroda werben soll. Der Veranstalter betonte von Anfang an, dass es keine politische Veranstaltung sein sollte, und dass weder Plakate, Parolen und Alkohol auf der Versammlung im abgegrenzten Bereich geduldet würden. Und so blieb es eine nette Zusammenkunft mit Musik, Unterhaltung und einer guten Rede vom Bürgermeister.
Schon auf dem Weg dorthin traf ich auf Mitmenschen, die zum Spaziergang unterwegs waren. Da wurde es mir auf einmal mulmig, denn diese Kollegen wollten noch so viel Bier wie möglich vorher zischen und dann sich hoffentlich mit jemanden kloppen. Aber entweder waren sie dann später verschwunden oder hielten sich auf dem Markt im Hintergrund. Als der Spaziergang zu uns ankam, gab es ein kurzes Beschnuppern von beiden Seiten, dann widmeten wir uns den Trommlern vom Schieszhaus und der Feuershow. Ich denke, es waren auf dem Markt etwa 200 Leute und gegenüber waren etwa 100 Spaziergänger. Nach 20 Minuten löste sich dann der Spaziergang auf.
So... jetzt mal Butter bei die Fische...
Gerade in Zeiten von Pegida und Co. muss man Stellung beziehen.
In Zeulenroda wird gegen ein "Asylheim" bzw. "Asylantenheim" demonstriert, die Facebook-Gruppe nennt sich so. Es gibt diese Begriffe in Deutschland nicht, bzw. nur im Volksmund. Der korrekte Begriff ist "Asylbewerberheim". Flüchtlinge kommen nach Deutschland, bewerben sich um Asyl und werden in diesen Heimen untergebracht. Wie es den Asylbewerbern zum Beispiel in Greiz geht, kann man hier im Video von MDR Aktuell eindrucksvoll sehen. (Beim MDR in der Mediathek seltsamerweise nicht mehr vorhanden).
Während der ersten neun Monate ihres Aufenthaltes dürfen Asylbewerber nicht arbeiten. Viele kommen nach Deutschland, haben keine Arbeit, kein Geld, Nichts. Sie verbringen ihre Zeit im Heim. Ein Viertel aller Asylanträge wird wegen Formfehlern ohne Prüfung abgelehnt, von den geprüften Anträgen werden 2 von 5 abgelehnt. Das heißt in der Theorie, dass von einer fünfköpfigen Familie, zwei Mitglieder ausgewiesen werden.
Jetzt protestieren also Menschen hier dagegen, anderen Menschen, die gar nichts mehr haben auch nichts zu geben. Dabei hört man (und liest man in der inoffiziellen Zeulenroda-Facebookgruppe) fadenscheinige Argumente wie "ich habe nichts gegen politische Flüchtlinge, aber die Wirtschaftsflüchtlinge die es sich hier gut gehen lassen" (Das berühmte "Ich habe nichts gegen X, aber...")
Wir leben in einem Sozialstaat. Jeder, der in die Rente zahlt, weiß das. Jeder, der Arbeitslosengeld empfängt, auch. Dieses System wird ausgenutzt, aber nicht nur von Flüchtlingen. Und jetzt muss man sich mal fragen, ob man nicht verstehen kann, dass ein Mensch, der gar nichts hat und hier nichts bekommt, nicht von dem System in die Kriminalität getrieben wird, um sich ein Telefon zu beschaffen, damit er zuhause seine Familie kontaktieren kann?
Ist der Protest gegen das "Asylheim" nicht in die falsche Richtung gerichtet und sollte gegen ein System ankämpfen, das Menschen in einer Notlage erstmal in einem Limbo hängen lässt?
Ich kann die Menschen nicht verurteilen, auch bei den Pegida-Protesten nicht. Da sind Menschen mit ganz realen Sorgen und Ängsten. Und alle müssen gehört werden. Sich aber gegen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, zu wenden, ist der falsche Ansatz.
2012 bin ich gegen Acta auf die Straße gegangen, 2011 habe ich gegen Stuttgart 21 gestimmt und in dieser Zeit habe ich viele Proteste der Piratenpartei begleitet. Aus einem Grund: Weil ich genau wie diese Menschen unzufrieden mit der Politik bin und total verdrossen und enttäuscht bin. Damals bin ich nur von allen als Kinderficker beschimpft wurden, weil die Piraten gegen einen Internetfilter war. Damit musste ich leben.
Heute müssen die Menschen damit leben, als Nazis beschimpft zu werden. Wie auch nicht mit Aussagen wie "Ich bin nicht rechts, aber das hier ist immer noch Deutschland." Es gibt Fakten, Argumente und Gegenargumente. Die brauche ich hier alle nicht aufzählen.
Warum ich für ein offenes Zeulenroda bin?
Zeulenroda wird kleiner und älter. Von Jahr zu Jahr. Die jungen Leute hauen ab, weil es hier nichts gibt. Warum also nicht die Tore für Zuwachs öffnen. Wir müssen den Menschen zeigen, dass sie nicht in schlechten Bedingungen leben und dass sie nicht kriminell werden müssen, um sich zu integrieren.
Ich bin aus Zeulenroda geflohen, weil ich hier keine Perspektive sah. Keine Ausbildung und kein Job hier. Aber jetzt, wo ich anfange meine Existenz aufzubauen, sehe ich wieder Perspektive. Ich möchte zurück nach Zeulenroda. Ich möchte meine Kinder hier aufwachsen sehen. Aber ich möchte in ein Zeulenroda, dass offen für alle ist. Und wenn diese Gruppierung hier immer größer wird, dann brauchen sie sich nicht wundern, wenn keiner mehr zurück will und die Stadt verroht. Das ist nicht mein Zeulenroda und nicht das Zeulenroda in dem ich meine Kinder an solches Gedankengut verlieren möchte.
Deutschland hat 2006 der Welt gezeigt, wie offen und freundlich es sein kann. Es ist ein Armutszeugnis, wenn wir das alles wieder vergessen haben. Noch schlimmer wäre, wenn diese Offenheit nur Menschen gilt, die hier Fußball schauen wollen.
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