2. Juli 2009

Kalter Wind peitscht mir ins Gesicht. Kleine Regentropfen kitzeln auf der Haut. Ich ziehe meine Kapuze tief ins Gesicht. Mein Blick wandert umher: Blumen und Gras, nicht hoeher als ein paar Zentimeter, und viele einzelne Felsbrocken, hierher verfrachtet von den 3 umliegenden, grossen Vulkanen, Cotopaxi, Rumiñahui und Sincholagua.

Die Blumenpracht ist vielfaeltig, ueberall ist es bunt. Trotzdem kommt mir die Landschaft kahl vor. Eine Filmkulisse, mit einem Farbfilter versehen perfekt fuer einen anderen Planeten. Wiedererkennen wuerde man es sowieso nicht, denn die Vulkane krempeln die Landschaft in unregelmaessigen Abstaenden um.

Es kommt mir leblos vor. Kein Vogelgezwitscher, kein Insektensummen. In der Ferne sieht man eine Pferdeherde. Es sind wilde Tiere, hergebracht von den ehemaligen Kolonialherren, aber laengst frei. Doch die Trostlosigkeit taeuscht: Immer mal kommt ein Vogel vorbei, weit weg zieht ein einsamer Hirsch seine Bahnen und eine kleine Spinne kreuzt meinen Weg.

Wir haben Pech: Der Cotopaxi huellt sich in Nebel. Allerdings glaube ich nicht ganz, dass wir Pech haben, sondern dass man Glueck braucht, um den Vulkan zu sehen. Ich kann mir vorstellen, dass der Berg die meiste Zeit ein Wolkenkleid traegt.

Ich lasse meinen Blick erneut schweifen; etwas Glaenzendes faellt mir ins Auge. Es ist eine leere Glasflasche. Weit und breit ist Nichts, aber hier liegt eine Schnapsflasche rum. Ein kurzes Kopfschuetteln und ein Griff; ich nehme sie mit. Wer sonst sollte sie hier wegraeumen¿? Man kann die Welt nicht gross aendern, aber man kann sie zu einem besseren Platz machen. Man bewegt nichts, wenn man sich selber nicht bewegt.

Jemand ruft frenetisch "Die Spitze, die Spitze" und fuchtelt wild mit den Armen. Ich drehe mich um und tatsaechlich: Der Berg ist gnaedig und zeigt seinen schneebedeckten Gipfel. Fotoapperate klicken. Ein kompletter Blick auf den Riesen ist uns aber nicht vergoennt.

Der Cotopaxi ist knapp 5900 Meter hoch und damit einer der hoechsten aktiven Vulkane der Erde. Sein Name bedeutet in etwa Sitz (oder Thron) des Mondes. Schon die Voelker vor den Inkas verehrten ihn als heilig. Er ist immer aktiv und es gibt jeden Tag Ausbrueche, wovon die meisten aber so schwach sind, dass sie nicht mal registriert werden.

Wir setzen unseren Gang fort. Wenig spaeter faellt mir erneut etwas weisses, nicht in die Landschaft gehoerendes auf. Es ist das komplette Skelett eines Pferdes. Das arme Tier muss schon vor einer ganzen Weile verendet sein, dennoch sind die Knochen gut erhalten. Die Vollstaendigkeit der Ueberreste laesst darauf schliessen, dass es hier keine Aasfresser gibt, die gross genug sind ganze Gliedmassen wegzuschleppen. Dennoch glaube ich, dass die Natur eine Verwendung fuer das tote Tier hatte und die Ueberreste der Erde zurueckgefuehrt hat. Nichts passiert ohne Grund.

Die Wanderung neigt sich dem Ende zu. Noch einmal hallt es "Die Spitze, die Spitze" und noch einmal blicke ich zum maechtigen Cotopaxi, der diesem Nationalpark seinen Namen gibt. Ich drehe mich um 360 Grad und sauge die Landschaft auf. Vielleicht ist es ja gar nicht so trostlos hier. Ich stehe im Cotopaxi Nationalpark, breite die Arme aus und warte bis die Sonne sich wieder mit dem Regen abgewechselt hat.

Hier ist es definitiv nicht trostlos.

Landschaft

Schnaps

Die Spitze, die Spitze

Leben...

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