2. August 2016

Da die Reservierungen bei der Metropol-Sneak in Stuttgart gestern gefickt waren, hätte ich Nerve gestern fast verpasst. Ich bin doch ziemlich froh, trotzdem hingegangen zu sein.

Nerve kommt mit dem Hype von Pokémon Go genau zur richtigen Zeit in die Kinos. Im Film geht es um das Spiel Wahrheit oder Pflicht, bei dem die Nutzer zum Streamer werden und die Zuschauer entscheiden, welche Pflichtaufgaben zu erledigen sind. Wer seine Aufgaben ablehnt, scheitert oder petzt, fliegt raus. Was als Spaß beginnt, wird langsam immer mehr zum bitteren Ernst, da die Aufgaben immer waghalsiger und der virtuelle Druck des anonymen Mobs immer heftiger werden.

Ich muss schon sagen, dass der Filme sehr viele interessante Themen Gruppenzwang, Identitäts- und Datendiebstahl im Internet, Hype und vor allem die Gier nach Aufmerksamkeit, Zuschauern und 5 Minuten Ruhm anschneidet. Manche dieser Themen verfolgt er weiter, manche verlaufen etwas, aber nie so sehr, dass man sie aus dem Hinterkopf verliert. Ein Film für unsere Generation, juchu.

Vom Trailer her dachte ich, dass Nerve immer mehr sein wird als die App, in der Nutzer die Aufgaben bestimmen. Ich dachte, irgendwann verselbständigt sich die App und lässt seine Nutzer irgendeine geheime Agenda ausführen. Das wäre dann so etwas wie im Film Eagle Eye. Aber es bleibt bei Aufgaben der Zuschauer, auch wenn manche Dinge weit hergeholt sind.

Als Informatiker interessiert man sich natürlich dann für die Konzepte hinter der App. Auch wenn einige Konzepte für die Filmwelt sehr weit her geholt waren, muss ich sagen, dass alles mehr oder weniger Sinn gemacht hat. Sehr spannend war es beispielsweise, als die "Hacker" meinten, sie könnten den Code von Nerve verändern, da es ja Open Source sei. Vereinzelte Lacher im Publikum. Als sie aber meinten, sie würden den Code auf der Hosting-Platform verändern, auf der die User Änderungen und Commits zustimmen müssen und deshalb mit einem Bot-Netz und Fake-Profilen den Änderungen einfach selbst zustimmen, musste ich schon anerkennen, dass das hier wenigstens kein Hollywood-Hacking war, sondern tatsächlich jemand, der sich mit der Materie beschäftigt hat. Ob das im echten Leben möglich wäre, sei mal da hin gestellt.

Nerve ist ein spannender Film, der aber merkwürdig ruhige Momente hat. Allerdings hat mir das letzte Drittel nicht mehr so gefallen. Es war ein großartiges Konzept, dem anonymen Mob einen Spiegel vorzuhalten, indem man die Nutzernamen durch Klarnamen ersetzt, aber die Umsetzung war eher solala. Dabei habe ich vor allem die Charakter-Motivationen nicht mehr verstanden. Warum einige Spieler sich auf einmal opfern wollen oder warum sie bei irgendwelchen Plänen mitmachen, wird nicht genau erklärt. Und das Finale ist dann irgendwie eher unpassend. So als ob die Autoren noch unbedingt ein Statement abgeben wollten.

Das unrealistischste am Film sind allerdings die Handyakkus. In einer Welt, in der die Handyakkus so lange halten, sind wahrscheinlich so viele unserer Probleme gelöst, dass die Leute eigentlich kein Nerve mehr spielen müssten.

Die Hauptcharaktere gespielt von Emma Roberts und Dave Franco sind aber bis auf die fragwürdige Motivation aber sehr passend und ich muss sagen, dass mich der Film schon überzeugt hat. Jedenfalls nach einmal darüber schlafen. Vor allem der stimmige und passende Soundtrack. Alles in allem fand ich Nerve sehr solide, der jetzt kein Meisterwerk ist, aber gerade für die Generation PokéMongo anderthalb Stunden ordentliche Unterhaltung bietet.


3,5 Sterne von 5.

1 Kommentar:

GroßaBruda hat gesagt…

Uhhhh...ein Easteregg im letzten Satz.
...Typo oder Diss, lassen wir das die Community entscheiden :)

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